Interview: Phil Vanderkill (Sergeant Steel)

Sergeant Steel sind eine Hardrock Band aus Österreich, die sich „wie Du und ich“ selbst vermarktet und dabei bereits Legenden wie Deep Purple, The Sweet und Producer Michael Wagener begegnet ist. Bei der Party eines Münchner Radiosenders habe ich mich eingehend mit Frontmann Phil Vanderkill über die Businesskomponente der Band unterhalten und dabei interessante Einblicke erhalten, zumal Phil keine Geheimnisse zu haben scheint – aber lest selbst…

Julian Angel (J.A.): Hi Phil, ‚Vanderkill’ ist nicht wirklich Dein offizieller Nachname. Für wie wichtig hältst Du eine eigene Stage Persona bzw. ein Image?

Phil Vanderkill (P.V.): Naja, einen persönlichen Bezug zu dem Namen habe ich schon: Ich entstamme einem alten, niederländischen Adelsgeschlecht. Genealogische Forschungen haben ergeben, dass es sich bei einem meiner Ahnen um den „verschollenen Flodder“ (vgl. „Eine Familie zum Knutschen“) handelt.

Da ich eine kleine Drama-Queen bin, und ein Dasein als Diva leidenschaftlich kultiviere, bedeutet mir Image sehr viel. Die Stage Persona lege ich gezielt als Mischung aus Marty McFly (Körpergröße) und Conchita Wurst (sexuelle Note) an!

J.A.: Bei Sergeant Steel fällt zunächst die Zusammenarbeit mit den Produzentengrößen Beau Hill (u.a. Alice Cooper, Ratt, Europe, Gary Moore) und Michael Wagener (u.a. Ozzy Osbourne, Alice Cooper, Janet Jackson, Skid Row, Mötley Crüe) ins Auge. Wie kam es dazu? Oder besser gefragt, wie kommt eine selbstvermarktende Band aus Österreich dazu, sich solche Größen ins Boot zu holen?

P.V.: Beide Mischpult-Legenden haben wir ganz einfach per Mail kontaktiert. Wenn es um unsere Musik geht, wollen wir ohne Kompromiss mit den Besten zusammenarbeiten. Von Michael Wagener folgte außerdem eine persönliche Einladung zu sich nach Nashville/ Tennessee, USA. Sein Studio, das „WireWorld 2.0“ ist sein quasi Lebenswerk. Viele, viele Dollars, aber vor allem unbezahlbares Know-how stecken in diesem Equipment-Schlaraffenland. Für Michael sind wir die „Crazies“ aus den Alpen. Er ist für uns ein Mischpult-Magier. Wir freuen uns auf die erneute Zusammenarbeit mit ihm, im Februar 2015.

J.A.: Das lässt natürlich die indiskrete Frage aufkommen, ob sich Eure Veröffentlichungen hinsichtlich der hohen Mixkosten bezahlt machen – oder verfolgt Ihr etwas anderes damit?

P.V.: Neben unserem erwähnten Anspruch an Qualität, verfolgen wir auch geschäftlich eine radikale Strategie: Wenn du dem Geld nachläufst, kann es dir nicht folgen. Wer wirklich an sich glaubt, sollte sich diesen Satz hinter die Ohren schreiben. Letzten Endes wollen wir einfach das Allerbeste aus uns herausholen. Das klingt vielleicht naiv, oder sogar banal. Aber das Leben ist zu kurz, um Jazz zu spielen!

J.A.: Lass uns zu Eurem Marketing kommen. Videos spielen dabei offenbar eine wichtige Rolle…

P.V.: Absolut. In Zeiten von Social Media sind Top-Videoproduktionen das Tor zu steigenden Absatzzahlen! Definitiv der wichtigste Werbekanal ist derzeit immer noch Youtube.

J.A.: Auch Eure Videos verfügen über eine hohe Qualität, sowohl was die Technik als auch die Inhalte angeht. Und doch habt Ihr kein Vermögen dafür ausgeben müssen…

P.V.: Unsere Musik hört sich nach dickem Budget an. Wie du richtig erkannt hast, spiegeln auch die Videos unseren ästhetischen Anspruch wieder. Wichtiger als eine dicke Geldbörse sind aber dicke Eier, und die kann man bekanntlich nicht kaufen. Unser Riesenglück ist, dass wir mit Stefan Lenz Schrankenstein einen gleichgesinnten Regisseur/ Videoproduzenten gefunden haben. Zuallererst muss das Konzept killen. Bei unserer Musik sind uns Humor, und Kurzweile wichtig. Trotzdem soll der Zuseher/ Hörer das Gefühl haben, dass Könner und nicht Clowns am Werk sind. Bei der Koordination und Ausführung darf man sich ebenfalls für nichts zu Schade sein. Kreativität, und Fleiß sind aber gratis. Wichtig ist dann natürlich noch ein gutes Netzwerk – der Draht zu den richtigen Leuten. Das aufzubauen kostet ebenfalls nicht viel mehr als eine gewisse Zeit.

J.A.: Auf welche Weise habt Ihr Eure Videos beworben? Hattet Ihr dabei eine bestimmte Strategie?

P.V.: Natürlich haben wir unsere Pressekontakte ausgereizt. Das Spannende war aber, dass sich da viel von alleine ergeben hat. Sogar Zines die wir nicht selber kontaktiert haben, brachten News-Einträge zu den Clips. Das spricht wiederrum für einen gewissen Anklang in Szene-Kreisen. Unsere Hauptstoßrichtung (Achtung: Doppelbödige Anspielung!) beim promoten ging aber ganz klar auf die persönlich, zum Teil private Ebene (Oh ja, Baby!). Wir haben sämtliche Freunde auf Facebook, Mail-Adressen, usw. akribisch durchforstet, und Leute direkt auf unsere Werke aufmerksam gemacht.

Sergeant Steel

J.A.: Private Facebook Nachrichten mit Links zu Videos können allerdings auch schnell auf die Nerven gehen…

P.V.: Nicht, wenn du wirklich persönlich auf die Menschen zugehst. Wir haben hunderte PN’s mit persönlicher Anrede abgefasst, und die Menschen auch mit ein bisschen Smalltalk individuell angesprochen. Das hat den Betroffenen eine gewisse Wertschätzung vermittelt.

Es bedeutet viele Stunden Arbeit (wegen der Stoßrichtung), aber der Lohn sind dann z.B. mehr als 1.000 Views bei „Mama Horny“ am Tag der Veröffentlichung. Außerdem war es cool, wieder mal alte Kontakte aufzufrischen (Frisch machen vor dem auffrischen nicht vergessen!). Ein Video, das dem Gegenüber dann noch obendrein gefällt ist da schon ein super Aufhänger.

J.A.: Welche weiteren Promotionaktivitäten haben sich für Euch als erfolgreich erwiesen?

P.V.: Eigentlich alles, wo wir direkt und persönlich auf Leute zugegangen sind. Jeder aus deinem Umfeld kann da zum wertvollen Multiplikator werden. Je persönlicher, desto besser. Das heißt, im Idealfall drückst du jemandem eine CD/ Promo-Unterlagen in die Hand, dann gibt es physische Bemusterung per Post, telefonisches Nachfassen (ganz wichtig!), und eben die bereits genannte schriftliche Kontaktaufnahme. Wichtig ist, dabei immer – und damit meine ich auch immer- mit offenen Augen (Rhythmus im Blut, und Sonne im Herzen kann auch nicht schaden) durch die Welt zu gehen. Ein guter Netzwerker findet Personen, Schnittstellen, und Kanäle die darauf warten, geöffnet zu werden. Das ist eben wieder Kreativität (Achtung, noch einmal: Die ist wirklich GRATIS!) gefragt. Wir haben zum Beispiel super-erfolgreich CDs über lokale Musikalienhändler, Supermärkte und Strip-Lokale verkauft. Von anderen Bands sehe ich dort z.B. selten CDs liegen.

J.A.: Auf welchen Wegen vertreibt Ihr Eure Musik?

P.V.: Der Vertrieb ist noch wichtiger als die ganze Werbung. Weil, was hilft die Nachfrage, wenn das Produkt schwer erhältlich ist. Wir arbeiten gut und erfolgreich mit cdbaby, und MusicBuyMail zusammen. Die beiden Partner bedienen sowohl Amazon (Achtung: Immer darauf achten international verfügbar zu sein) für die breite Masse, und spezialisierte Mailorders für die Genre-Geeks. Die ganze Digital Distro ist mit cdbaby ebenfalls optimal abgedeckt.

J.A.: Du hattest mir eine grobe Statistik genannt, welchen Anteil die einzelnen Vertriebskanäle haben. Kannst Du sie bitte noch einmal für unsere Leser wiederholen?

P.V.: Wir haben von „Men On A Mission“ ca. die Hälfte unserer Verkaufsmenge privat abgesetzt. Der schlaue Leser kann es sich denken: Das Zauberwort heißt Netzwerk. Wenn dich viele, viele Menschen kennen und schätzen, geht hier einiges. Man darf sich halt nicht zu schade sein, und muss das Produkt auf den Tisch bringen. Dazu ist kein penetrantes Hard-Selling notwendig. Wer selbstbewusst, wertschätzend, aber vor allem begeistert von „der neuen CD“ spricht, gewinnt automatisch Konsumenten. Hier bleibt natürlich auch die volle Spanne plus freiwillige Spenden (nicht unterschätzen!!!).

Die Marge ist natürlich gleich gut, wenn du direkt bei Gigs verkaufst. Das macht ca. 1/5 aus. Ebenfalls 20% unserer Stückzahlen geht über den Mailorder-Vertrieb raus. Bei cdbaby machen wir 10%. Ungefähr 5% macht die Menge über sonstigen Handel (o.a. stationäre Geschäfte) aus. Der digitale Vertrieb läuft bei diesem Release vollständig über cdbaby.

J.A.: Bei Euren Konzertdaten fällt mir auf, dass Ihr überwiegend bei Festivals sowie als Support größerer Bands (Deep Purple, The Sweet) auftretet, dafür aber kaum Stand-Alone Clubgigs spielt. Ist das ein Zufall?

P.V.: Dahinter steckt eine klare Strategie: Entweder wir erreichen bei einem Auftritt viele Menschen, oder aber es kommt zumindest genug „Schmerzensgeld“ in die Kriegskassa. Im Idealfall, und den hatten wir bereits mehrfach, trifft beides zu. Vor niemandem für ein Butterbrot in einem stinkigen Loch aufzuspielen ist nicht drinnen. Lieber ein Wochenende Handwagerl (sprich Lieb-zu-sich-selbst-sein) fahren, als sinnlose Kilometer mit dem Gackwagerl (sprich Bandmobil) fahren.

Dennoch werden wir 2015 zwei Eigenveranstaltungen auf Club-Ebene durchziehen. Das ganze findet in Linz statt. Die Nachfrage seitens unseres regionalen Followings ist dementsprechend groß. Unser Heimat-Bundesland Oberösterreich rockt!

J.A.: Dann möchten wir natürlich noch gerne wissen, auf welchen Wegen Ihr ins Vorprogramm von Deep Purple und The Sweet gekommen seid…

P.V.: Wir haben nicht nur, aber vor allem vor der eigenen Haustür definitiv für Aufsehen gesorgt. Einerseits durch unsere fruchtbare Zusammenarbeit mit Top-Produzenten, andererseits durch hemmungslose Live-Power. Sergeant Steel sind sechs Vollblut-Musiker, und on stage geil abliefern ist Ehrensache. Beides hilft beim Netzwerken. Ich weiß, jeder denkt spätestens jetzt: Hält er sich für Spider-Man? (Nebenbei erwähnt: Ich bin eher so einer wie die Fliege aus „Meet The Feebles“). Aber dieses Schlagwort sollte sich wirklich jeder Musiker mantra-artig vergegenwärtigen: Netz-werken, netz-werken, netz-werken…

J.A.: Zum Schluss noch zwei Fragen rund ums Musikbusiness. Welche Methode oder Maßnahme, die Ihr mit Sergeant Steel ergriffen habt, war bisher die beste und erfolgreichste für Euch?

P.V.: Unsere Musikvideos. Außerdem fahren wir seit Jahren eine wohlüberlegte Doppelstrategie: Wir bearbeiten nicht nur die Genre-Nische mit ihren zahlreichen, internationalen Akteuren (Fans, Presse, Internetradio, etc.), sondern arbeiten stetig – Achtung: Jetzt kommt wieder mein Lieblingswort – an unserem regionalen Netzwerk. Für Bands liegt so viel Wichtiges ganz nah. Seien es Fans, Konzert-Promoter, Journalisten, Ton-Studios, Veranstaltungs-Techniker, Label-Betreiber, andere Bands, Locations zum Videodrehen, Merch-Produzenten, u.v.m. Conclusio: Im Internet-Zeitalter also nicht nur das Heil in der Ferne suchen!

J.A.: Und was hat überhaupt nicht funktioniert, bzw. wovon würdest Du anderen Musikern abraten?

P.V.: Anbieter meiden, die Promo-Kampagnen ohne 100%-ige Transparenz und reale Erfolgsaussichten anbieten. Gleiches gilt übrigens für Damen-Besuch backstage.

J.A.: Deine „Famous last words“:

P.V.: Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß. (Wilhelm Busch)

Besten Dank an Phil für die ausführlichen Antworten und die damit verbundenen Blicke hinter die Marketingkulissen von Sergeant Steel.

Sergeant Steel Website
Sergeant Steel Facebook

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Über Julian Angel

Julian Angel ist chartnotierter Rockmusiker mit Hollywood Filmmusik Credits, Eventproduzent und Organisator der MusicBiz Madness Konferenz, Deutschlands erster Musikbusiness Konferenz für Musiker.
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