Jante: von 6.000 auf 40.000 Streams pro Monat in einem halben Jahr

Nach einem meiner berühmt-berüchtigten Rants über das Thema Streaming meldete sich Jan Thierfelder von der Band Jante und meinte „Hey, bei uns läuft es eigentlich ganz gut“. Grund genug, sich den Herren und seine Truppe einmal genauer anzusehen. Und siehe da, er ist bereit, auszusagen, ganz ohne Guter-Cop-Böser-Cop. Und siehe gleich noch einmal,

Jante machen sogar Musik, die eigentlich gar nicht so streaming-typisch ist. Also, aufpassen und mitschreiben:

Julian Angel (J.A.): Jan, schön, dass Du Dir Zeit nimmst, anderen Musikern zu zeigen, wie es geht. Jedenfalls bei Euch. Meine Lieblingsaufforderung: beschreibe Euch mal in einem Satz…

Jan Thierfelder (J.T.): In einem Satz? Ok, dann bisschen provokativ so: Wir sind die erste Indie-Folk-Band auf Deutsch!

J.A.: Innerhalb eines halben Jahres konntet Ihr Eure Spotify Streams von 6.000 auf monatlich über 40.000 (Januar 2021) quasi versiebenfachen. Welche Vorgehensweise steckt denn dahinter?

J.T.: Da greifen einige Dinge ineinander, die wir dieses Jahr angegangen sind bzw. für die wir aufgrund der sonst vielen Livekonzerte zumeist keine Zeit oder Muse hatten.
Zum einen haben wir unsere Songs nochmal akustisch aufgenommen und das als Anlass genommen, zum ersten Mal eine EP ausschließlich digital zu releasen. Dabei haben wir vor Release 3 der Songs als „Akustik-Sessions“ mit Video als Singles ausgekoppelt, so natürlich sowohl im Streamingbereich als auch bei Social Media jede Menge regelmäßigen Content gehabt und mehr Regelmäßigkeit bedeutet in der Regel mehr Wachstum im digitalen Zeitalter der Musik.

J.A.: Also viel Social Media?

J.T.: In dem Zusammenhang haben wir auch endlich eine Struktur in unsere Social Media-Aktivitäten bekommen, sodass wir dort jetzt längerfristig planen und damit auch fast täglich Posts absetzen können, die dann unsere Fans natürlich heiß machen auf die neuen Releases und sie ihnen immer wieder ins Gedächtnis rufen. Vorher haben wir da auch mal zwei, drei Wochen gar nichts gepostet, weil man sowas auch gerne mal vor sich herschiebt, wenn man nicht gerade jemand ist, der/die die Likes braucht, um das eigene Selbstwertgefühl damit aufzupolieren.

Außerdem haben wir angefangen, peu à peu alle unsere Instagram-Follower persönlich anzuschreiben. In vielen Fällen hat sich daraus ein Dialog entwickelt, bei dem wir zum einen viel über unsere Fans erfahren haben und sie auf der anderen Seite dann direkt und persönlich auf das hinweisen konnten, was gerade ansteht und wo sie uns unterstützen können, zum Beispiel eben das Hoch- und Runterhören eines neuen Songs bei Spotify. Durch Streaming-Gewinnspiele haben wir dort die Bereitschaft zusätzlich erhöht, unsere Songs noch häufiger anzuhören.

J.A.: Wie genau sieht so ein Streaming-Gewinnspiel aus?

J.T.: Zum Beispiel haben wir Preise ausgelost für die meisten Streams auf unsere letzte Single in einer bestimmten Zeit. Über Spotify for Artists hat man da einen ganz guten Einblick, insofern der Song aus einer Playlist heraus gestreamt wurde.

Das alles wurde ergänzt um die Dinge, die wir ohnehin schon seit längerem machen: Unser Netzwerk an privaten Playlist-Kuratoren weiter auszuweiten und den Song in deren Playlists zu pitchen, Newsletter rauszuschicken und Werbeanzeigen auf die Releases bei Instagram und Facebook zu schalten, wobei die Ergebnisse hier immer am schwersten nachvollziehbar sind und wir glauben, dass wir dort noch die meiste Luft nach oben haben.

J.A.: Nun sind 40.000 Streams einerseits eindrucksvoll, andererseits liefern Sie Euch nur ein besseres Taschengeld. Das Finanzielle kann es wohl nicht sein, oder?

J.T.: Nein, natürlich nicht. Das große Geld kann man in unserer Größenordnung damit natürlich nicht verdienen. Wir sehen Spotify aber trotz der bescheidenen Verdienstmöglichkeiten als äußerst nützliches Tool an, um weiter zu wachsen. Je mehr Leute unsere Musik bei Spotify & Co. hören, desto höher sind natürlich auch langfristig die Chancen, regelmäßig in den offiziellen Editor-Playlists aufzutauchen und desto mehr Leuten, die uns noch nicht kennen, schlägt der Algorithmus vor allem unsere Songs vor. Aus diesen neuen Hörern sollen dann in absehbarer Zeit Fans werden, die uns und unsere Musik auch finanziell unterstützen, sei es durch Einkäufe im Shop, Konzertbesuche oder als Follower bei Patreon.

J.A.: Habt Ihr eine bestimmte Vorgehensweise, Eure Fans dann zum Bezahlen zu bewegen?

J.T.: Nö, das eigentlich nicht. Es ist eben auch hier eine Mischung aus vielem. Newsletter, Social Media Posts, direkte Kommunikation mit Followern und eben vor allem offene Kommunikation. Die Leute, die uns und unsere Musik näher kennenlernen merken schnell, dass wir auf sie eingehen, sie ernst nehmen und immer Vollgas geben, um mit dem Geld, was in uns investiert wird auch zukünftig wieder gute Musik und vieles mehr an den Start zu bringen. Und das schafft Vertrauen, Begeisterung und eben auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl, weil wir immer wieder klar sagen: Wir haben kein großes Label, keine große Bookingagentur – aber wir haben Euch und gemeinsam können wir große Dinge schaffen. Und wenn das nicht bloß leere Worthülsen sind, sondern darauf auch Taten folgen, dann kommt man Stück für Stück voran und dann wird das auch honoriert.

J.A.: Wie gelingt Euch der Spagat zwischen Streaming und Tonträgern sowie Merchandise? Wohin schickt Ihr einen neuen Fan?

J.T.: Bei einem physischen Release „schicken“ wir die Leute in der Regel durch Vorbestelleraktionen mit limitierten Fanbundles zunächst in unseren Shop. Bis dahin sind meist digital als Appetizer schon 1-2 Singles veröffentlicht worden. Ab Releasetag bzw. wenn das Bundle ausverkauft ist, fokussieren wir die Streamingdienste und allem voran Spotify, da dort mittlerweile einfach die größte Anzahl unserer Fans ihre Musik hauptsächlich konsumiert.

J.A.: Ihr habt auch in Sachen Merchandise aufgerüstet. Neben bedruckten Tassen gibt es auch den Tee dazu. Ich halte das für beeindruckend, da auch riskant. Schließlich müsst Ihr in Vorleistung gehen. Wie läuft es denn?

J.T.: Ziemlich gut. Ich meine klar, nach oben ist immer Luft. Aber die Kosten für die Herstellung der Merch-Artikel hatten wir in zweieinhalb Wochen wieder drin und ab jetzt ist alles Gewinn, was wir verkaufen, von daher können wir zufrieden sein. Außerdem haben wir vorher eine Umfrage bei Instagram gemacht, welcher Merch den Leuten gefallen würde, um das Risiko zu minimieren. Im Nachgang haben wir den Tee zum Beispiel auch als zusätzliches „Goodie“ beworben, das jeder kostenlos on top bekommt, der bis zu einem bestimmten Datum finanzieller Unterstützer bei Patreon wird. Das hat ziemlich gut funktioniert.

J.A.: Auch das Thema Livestream habt Ihr erfolgreich angegangen – nämlich bezahlt. Vielen Musikern fällt es schon schwer, Fans „für umme“ vor den Bildschirm zu locken. Was ist hier das Marketingmittel Eurer Wahl?

J.T.: Ich glaube, dass man da nicht von einem Marketingmittel sprechen kann, sondern von mehreren Dingen. Zum einen haben wir neben Newsletter und Social Media-Posts auch hier stark über persönliche Nachrichten bei Instagram mit unseren Fans interagiert und die Veranstaltung beworben. Zum anderen haben wir im Laufe des vergangenen Jahres schon mehrere Livestreams „für umme“ gemacht, zunächst solo und dann zu zweit als Ersatz für die verschobene Tour. Das lief über Paypalspenden und Merchverkäufe zunächst auch nicht schlecht, nutzt sich aber schnell ab. Deshalb haben wir dann mit unserem „Jahresabschluss-Livestreamkonzert“ mit voller Band & großer Bühne einen drauf gesetzt und ein Highlight für unsere Fans geschaffen, bei dem Ihnen klar war, dass man so was nicht ohne Geld auf die Beine stellen kann. Und das haben wir von vornherein ganz offen so kommuniziert und Ihnen trotzdem die Wahl des Ticketpreises gelassen – nämlich eine Spende ab 5€ aufwärts. Im Schnitt wurden am Ende pro Ticket 15€ bezahlt. Da wir einen Freundschaftsdeal mit der Technikfirma hatten, hat sich das so am Ende auf jeden Fall für uns gelohnt.

J.A.: Was betrachtest Du allumfassend als das Wichtigste, das eine ungesignte Band im Umgang mit ihren Fans tun sollte?

J.T.: Letztendlich geht es meiner Meinung nach vor allem um zwei Dinge, wenn man mit der eigenen Band außerhalb eines Majorlabels auch Geld verdienen möchte: Du musst den Leuten neben guter Musik, die die Grundlage von allem ist, noch etwas Besonderes mitgeben, was sie bei anderen Bands nicht bekommen. Das kann ein besonderes Image sein, ein Lebensgefühl, eine klare Message oder aber auch einfach der direkte Kontakt. Und Du musst sie auch immer wieder ganz offen wissen lassen, dass sie durch Spotify die Musik zwar mittlerweile fast kostenlos bekommen, aber sie in der Regel von uns Musikern nicht kostenlos produziert und verbreitet werden kann. Wenn man seine Fans und Follower dahingehend sensibilisiert und das Ganze als gemeinsame Reise aus Geben und Nehmen kommuniziert, dann werden Menschen dem auch folgen und auch Geld in die Hand nehmen, um einen zu unterstützen.

J.A.: Dann sage ich herzlichen Dank an Jan für diese umfangreichen Auskünfte, ganz ohne „ich ziehe mir doch keine Konkurrenz groß“ Mentalität. Ich hoffe, wir konnten alle etwas von ihm lernen.

Näheres zu Jante findest Du unter www.jantemusic.de

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Über Julian Angel

Julian Angel ist chartnotierter Rockmusiker mit Hollywood Filmmusik Credits, Eventproduzent und Organisator der MusicBiz Madness Konferenz, Deutschlands erster Musikbusiness Konferenz für Musiker.
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