Wer bei der Besiedlung Amerikas einst nach fruchtbarerem Land gesucht hat, bewegte sich in Richtung Westen. „Go west, young man“ wurde zu einem geflügelten Begriff. Während der Westen auch in der Musik- und Unterhaltungsbranche weiterhin ganz vorne steht, holt der Osten stetig auf und wird dennoch zu stark ignoriert. Doch schön der Reihe nach.
1891 entwickelte Thomas Edison den Kinetographen, die erste Filmkamera, und das Kinetoskop, den ersten Filmbetrachter. Edison drehte daraufhin über 1.000 Filme und führte sie mit Hilfe seiner Erfindung vor. Gleichzeitig ging Edison mit seinen Anwälten gegen jeden vor, der ebenfalls Filme machte und vorführte, obwohl 1902 ein U.S. Appeals Court urteilte, dass Edison die Filmkamera eben nicht selbst erfunden hatte und seine Klagen somit haltlos waren.
Dennoch schickte Edison weiterhin seine Anwälte los, um anderen Filmemachern Schwierigkeiten zu machen. Heute nennt man dies Frivolous Lawsuit. Um ihre Ruhe vor Edison zu haben, packten viele Filmemacher ihre Sachen und zogen… gen Westen, und zwar bis zur anderen Küste, an den Pazifik, in ein kleines Dörfchen namens Hollywood.
In Hollywood erkannte man bald das Potential und bot Filmemachern, Kreativen und den darum entstandenen Firmen einen „fruchtbaren Boden“ zum arbeiten: niedrige Steuern, wenig Bürokratie und nicht zuletzt schönes Wetter das ganze Jahr über. Weitere Kreative wurden angelockt.
Heute ist Hollywood ein Schatten dessen, was es einmal war. Der Staat California (unter Kritikern inzwischen gerne als „People’s Republic of California“ bezeichnet) erhebt hohe Abgaben und erstickt mittlerweile in seiner eigenen Bürokratie. Unions und Guilds nehmen zunehmend Einfluss auf die kreative Ausrichtung von Filmen. Wehe Dir, wenn Du als Regisseur jemanden ein Kabel tragen lässt, der nicht in der Gewerkschaft ist. AB5 wurde zwar für Musiker weitestgehend gekippt, dennoch bleibt ein Gefühl der Unsicherheit, ob man nun die Saxophonistin wegen eines achttaktigen Solos fest im Tonstudio anstellen muss oder nicht.
Gerade in der aktuellen Situation packen nun auch hier wieder Menschen ihre Koffer auf der Suche nach grünerem Gras. Die Bundesstaaten New Mexico und Georgia haben der Kreativbranche den roten Teppich ausgerollt, Atlanta, GA zeichnet bereits für einige erfolgreiche Produktionen verantwortlich, darunter die Erfolgsserie Stranger Things. Falls Du also demnächst Anfragen aus diesen Staaten erhältst, nimm sie ernst.
Doch nun zur Musik. Natürlich ist der Westen, insbesondere die USA, nach wie vor das wichtigste Ziel. 50% meiner CD Verkäufe gehen in die USA, 90% meiner TV Platzierungen erhalte ich in den oder über die USA, entsprechend fallen Tantiemenabrechnungen aus.
Allerdings befinden sich auf eben jenen Abrechnungen seit einiger Zeit auch durchaus beachtliche Gelder aus Ländern wie Russland, Rumänien, Polen oder Tschechien. Alleine das bedeutet, dass Länder, die wir immer noch vorwiegend mit halbseidenem Gebrauchtwagenhandel verbinden, über „seriöse“ Infrastrukturen verfügen, die zur korrekten Erfassung von Zahlungen und Vergütungen dienen und obendrein mit „unseren“ westlichen Strukturen kompatibel sind.
Zwei der genannten Länder befanden sich einst unter den Top 5 Ländern für illegale Downloads. Diese finden ohne Frage weiterhin statt, doch auch dort hat Spotify Einzug erhalten, so dass wenigstens ein paar Gelder für eigene Musik fließen. Vor allem in Russland kann ich viele genrespezifische Nischen erkennen, die auch nicht-mainstreamiger Musik Chancen einräumen, gehört und vergütet oder sogar in physischer Form gekauft zu werden.
Etwas schwieriger wird es für Musiker, im ehemaligen Ostblock Medien zu finden, um die eigene Musik vor Ort in Form von Kritiken oder Interviews zu bewerben. Kyrillische Schrift – oder noch ein Stück weiter östlich die japanischen Zeichen – liegt uns auf Grund unserer schulischen Erziehung deutlich weniger als das universelle Englisch. Auf der Suche nach russischen oder polnischen Musikblogs helfen somit vor allem Empfehlungen anderer Musiker. Einmal auf einer solchen Website gelandet beginnt die Detektivarbeit, jeden erdenklichen Link anzuklicken, um letztlich auf der Kontaktseite zu landen, auf der sich der beste Ansprechpartner hoffentlich finden lässt.
Ein anderes Hindernis ist häufig das unterschiedliche Verständnis von Musik. So kann ein polnischer Musikverlag am Ende gänzlich andere Vorstellungen von „erdigem amerikanischem Blues“ haben als ein Amerikaner, der eben genau diesen erdigen Blues im Blut hat. Hier sind Geduld und Fingerspitzengefühl im Umgang miteinander gefragt.
Ich sehe jedenfalls gerade in Osteuropa einen nicht ausreichend befriedigten Bedarf. Natürlich werden die Verkäufe und Tantiemen aus, sagen wir, Rumänien niemals so hoch ausfallen wie zu Hause oder in den USA, aber das ganze Gebiet hat Potential, das wir nicht ungeachtet links liegen lassen sollten. Ich arbeite jedenfalls gerade an meiner persönlichen „Osterweiterung“ und suche nach Kontakten in New Mexico und Georgia.
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