Da ich selbst einen derartigen Erfahrungsbericht vermisst habe, schreibe ich ihn, nachträglich, kurzerhand selbst und gebe dabei die Anleitung, wie ein Umzug von einer Verwertungsgesellschaft zur anderen nebst Kisten voller Lieder abläuft.
Die Ausgangssituation
Seit einigen Jahren steht es Urhebern und Verlegern endlich frei, welcher Verwertungsgesellschaft sie sich anschließen. Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit sind dabei keine bindenden Kriterien mehr. Ja sogar eine Verteilung der Wahrnehmnungsrechte auf mehrere Verwertungsgesellschaften ist möglich, ich habe es selbst so gemacht, dazu später mehr.
Ich mache sehr viel Musik für Filme und Fernsehen, gut 80 Prozent davon findet in den USA statt. Dass der Weg der Tantiemen über die amerikanische Partnergesellschaft ASCAP zur GEMA und letztendlich bis auf mein Bankkonto ein langer ist, ist bekannt und verständlich.
Doch es gab noch eine weitere Sache. Endlich hatte es die GEMA geschafft, Einzelaufstellungen zu den Nutzungen bereitzustellen. Ich konnte also erkennen, welche Tracks am häufigsten genutzt wurden und welchem Verlag ich dies zu verdanken hatte. Interessante Hinweise darauf, auf welchen Stil und auf welchen Verlag ich mich vermehrt konzentrieren sollte. Warum also über ein Jahr auf diese Informationen warten, wenn ich sie von einer amerikanischen Verwertungsgesellschaft direkt schon nach einem halben Jahr bekommen könnte? Außerdem verlangen die amerikanischen Gesellschaften keine Jahresgebühren…
Die Wahl der neuen Verwertungsgesellschaft
Mit ASCAP, BMI und SESAC warten die USA gleich mit drei Verwertungsgesellschaften auf, was immerhin eine Monopolstellung verhindert. Die SESAC ist für die ganz großen, dorthin gelangt man nur per Bewerbung oder Empfehlung. Über ASCAP, die dienstälteste, und die Alternative der „Radiolobby“ BMI ranken sich viele Mythen. Die eine soll hier besser bezahlen, dafür die andere dort. Welche für mich die beste Wahl wäre, konnte ich daraus nicht ableiten. Da aber die meisten meiner befreundeten amerikanischen Film- und Fernsehkomponisten BMI empfohlen hatten, klopfte ich dort an – und wurde sehr freundlich in Empfang genommen.
Ich bin seit zwei Jahren eher zwangsläufig Mitglied bei beiden (auch dazu später mehr) und kann wie folgt urteilen: BMI ist deutlich besser erreichbar und zahlt etwas schneller, dafür hat die ASCAP ein Tool, das Nutzungsmeldungen nahezu in Echtzeit einsehen lässt. Allerdings funktioniert dieses Tool nicht immer.
Mein Plan
Seit einiger Zeit gestattet die GEMA auch eine jährliche Kündigung des Wahrnehmungsvertrages, anders als zuvor, als sich der Vertrag immer um drei bindende Jahre verlängert hatte. Die Kündigung ist immer zum Jahresende möglich, die Frist beträgt allerdings sechs Monate, muss also bis zum 30. Juni eingegangen sein. Zur Beruhigung, die Kündigung kann mit einem einfachen Schreiben bis Jahresende widerrufen werden.
Ich würde also bis zum 30.06. kündigen, das tat ich auch, und mich neu bei BMI registrieren. Mein BMI Account würde dann am 01. Januar des Folgejahres aktiv werden, bis dahin hätte ich genügend Zeit, meine ganzen Titel, immerhin ein paar hundert, einzupflegen.
Tja, wenn es so einfach gewesen wäre. Eine Registrierung bei BMI war zwar sofort möglich, allerdings hatte ich tatsächlich erst am 01. Januar Zugriff auf mein Konto, so dass ich erst zu diesem Zeitpunkt mit dem Einpflegen der Titel beginnen konnte.
Da es sich wie gesagt um ein paar hundert Titel gehandelt hatte, griffen mir die BMI Mitarbeiter unter die Arme. Ich sollte eine Excel Tabelle mit allen Titeln, Beteiligten, ISWCs und so weiter einreichen. Anhand dieser würde BMI die Titel dann registrieren. Und hier spielt sogar die GEMA den Ball zu. Im Mitgliederkonto besteht die Möglichkeit, sich seinen eigenen registrierten Katalog an Titeln zusammenzufassen und auszudrucken bzw. abzuspeichern.
Letztendlich gab ich den BMI Leuten ein PDF, aus welchem dann jemand händisch die Titel übertragen hat. Reife Leistung, vielen Dank!
Meine Sorge
Meine größte Sorge war dabei, ob meine Songs bis zur vollständigen Registrierung nebst ihrer ISWCs erhalten bleiben oder herrenlos im Niemandsland herumschwirren würden, so dass eine Zuteilung der Tantiemen in diesem Zeitraum nicht mehr möglich gewesen wäre. Was, wenn ein Nutzer die Meldung immer noch an die GEMA melden und diese einfach mit den Schultern zucken würde? Würde das Geld trotzdem bis zu BMI durchfließen?
Tatsächlich hat man hier vorgebaut. Die GEMA würde dem Nutzer einfach mitteilen, dass die Meldung ab jetzt an BMI gerichtet werden muss. Außerdem gibt es da noch die CISAC, sozusagen die Mutter aller Verwertungsgesellschaften. Dort sind alle weltweit jemals registrierten Titel vermerkt, nebst Beteiligten und allen erdenklichen Codes und Nummern. Und tatsächlich werden hier die Weichen gestellt, an welche Verwertungsgesellschaft die Meldungen erfolgen und die Zahlungen getätigt werden.
Der Anker
Um dennoch ganz auf Nummer sicher zu gehen, kam mir eine weitere Idee: Ich habe der GEMA weiterhin die Wahrnehmung der Rechte an all meinen Titeln überlassen, jedoch auf Deutschland begrenzt. So konnte ich sicher gehen, dass meine Titel immer noch in einer Datenbank vorhanden sein und ihre Codes behalten würden. Codes, die immerhin bei den zahlreichen Nutzern meiner Musik bereits in Umlauf gewesen waren.
Sowohl bei der GEMA als auch bei BMI ließ sich der Ländersplit (oder Gebietssplit) mit einem formlosen Schreiben regeln. Ich bin jetzt also nach wie vor für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei der GEMA, den Rest der Welt deckt BMI für mich ab. Nach einem Jahr und erfolgreicher Registrierung bei BMI hätte ich die GEMA dann komplett kündigen und auch die Wahrnehmung für Deutschland an BMI übertragen können. Für den Fall eines künftigen Schlagerhits habe ich dies bisher allerdings nicht getan…
Warum bin ich nun bei ASCAP und BMI gleichzeitig?
Selbst in den USA, wo vieles möglich ist, können Urheber eigentlich nur Mitglied bei einer Verwertungsgesellschaft sein. Keine Polygamie. Nun hatte aber während meiner Zeit als GEMA Mitglied deren amerikanische Partnerorganisation ASCAP bereits einige meiner Titel wahrgenommen und am Markt lizenziert. Und das will die ASCAP auch weiterhin tun.
Folglich mussten bei der Anmeldung bei BMI sämtliche Titel aussortiert werden, die bereits über die ASCAP gelaufen sind. Diese mussten weiterhin bei der ASCAP bleiben, darauf besteht die ASCAP auch heute noch. Folglich habe ich seitdem einen ASCAP „Courtesy Account“ einzig zu diesem Zweck. Ich bin also kein vollwertiges ASCAP Mitglied, bekomme aber dennoch Tantiemen direkt von der ASCAP ausgezahlt, nämlich für jene bereits über die ASCAP wahrgenommenen Titel.
Fazit
Als gründlicher Deutscher bin ich den BMI Herrschaften sicherlich mehr als nur einmal mit meinen Bedenken auf die Nerven gegangen. Zwei Jahre nach meinem Umzug kann ich jedoch versichern, dass keines meiner Babies auf der Strecke geblieben und mir kein Geld durch die Lappen gegangen ist.
Vielleicht hilft dieser Erlebnisbericht jenem Prozent an Urhebern weiter, die solch einen Umzug in Erwägung ziehen…
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