Die dauerhafte und günstige Verfügbarkeit von Musik im Internet stellt Verkäufer von physischen Produkten sowie Konzertveranstalter vor neue Herausforderungen. Warum sollte jemand den Cyberspace verlassen, wenn dort alles geboten ist, was das Herz begehrt? Alles reale und greifbare muss inzwischen mehr bieten als das eigentliche Produkt.
Seth Godin schrieb vor kurzem, dass die einzigen Ausflüge, die wir unternehmen, nur noch „besondere“ Ausflüge seien. Und wenn wir am Ziel nichts besonderes vorfinden, würden wir so schnell nicht wiederkommen. Wenn es also Klamotten in Hülle und Fülle online zu finden und zu kaufen gibt, muss eine kleine Boutique schon etwas ganz besonderes anbieten: Änderungsschneiderei vor Ort „zum darauf warten“, um schlecht sitzendes passend zu machen. Kooperation mit anderen Boutiquen, um den Kunden das passende Oberteil zum Unterteil zu organisieren. Genau, auch zum darauf warten. Das besondere Ambiente ist zwar eine nette Nebenerscheinung, die aber nur noch selten punkten kann.
Was hat das nun mit Musik zu tun? Echte Musikliebhaber gibt es nach wie vor. Fans, die alles erforschen, suchen und sammeln. Bookletleser, High-End-Hörer, Schallplattenumdreher. Diesen Fans begegnen Musiker und Labels heutzutage mit aufwendig gestalteten Booklets, „physical-only“ Bonus Tracks, extra dicken Vinylpressungen, handnummerierten Sondereditionen und natürlich mit Box Sets, in denen neben dem Album noch Merch, Fotos und Autogramme enthalten sind. Ein Erlebnis, das es online in der Hosentasche so eben nicht geben kann.
Und wenn schließlich auch Aufzeichnungen von Konzerten in voller Länge online zu finden sind und Liveshows in Echtzeit per Stream übertragen werden können – wer soll sich dann noch in einen verschwitzten Club stellen, um eine statische Band anzuhören, geschweige denn sich bei Minusgraden den Weg durch die Stadt bahnen?
Der Gedanke alleine, mal rauszukommen und Leute zu treffen, gegebenenfalls auch real anfassen zu können, ist kein Anlass mehr, sich ein Konzertticket zu kaufen. Drei, vier oder fünf herumstehende, vor sich hin spielende Musiker reißen auch niemanden vom Hocker.
Die ganz Großen bieten daher Multimediashows, Virtual Reality, 3D Mapping und schwingen sich zum abertausendsten Mal an Seidentüchern über die Bühne. Hinten im Eck kann man den Bassisten erkennen. „Fünfmal hat sie sich umgezogen“ berichtet meine Schwiegermutter vom Konzert Deutschlands Schlagerdame Nummer zwei.
Das Publikum ist satt und will mehr erleben als nur Musik. Wilde Shows und sexy Sängerinnen sind das mindeste, was Pop und Rock heute bieten müssen, Liedermacher erklären ähnlich dem VH1 Storyteller Format die Geschichten hinter ihren Songs, beim Chanson Abend sollte es wenigstens Champagner geben. Bands schließen sich wie im Falle von Azurica inzwischen immer häufiger zusammen, um statt ordinärer Gigs gleich kleine Festivals aufzuziehen und mit dieser Besonderheit Zuschauer anzulocken. Auch das Covergeschäft wackelt vielerorts, das Aufbäumen findet in Form von Themenparties statt, natürlich mit Misswahlen, Spielen und Verlosungen. Party ja, Konzert eher nicht so ganz, weißt…
Doch es gibt einen weiteren, eher alternativen Ansatz. Statt das satte Publikum immer weiter zu füttern, können sich Musiker neuen Zielgruppen zuwenden. Wenn die Jugend sich lieber zu Spieleabenden trifft, statt abzurocken, finden sich womöglich unter den Ü-Soundsoviel Berufstätigen neue Fans. Sie haben ein paar Münzen übrig und lechzen danach, mal wieder was zu erleben. Auch mit 50 noch einmal im Gang vor den Klos zu knutschen.
Dann wäre da das Publikum, das Musik lieber in etwas stilvollerem Ambiente genießen mag als in einer Kneipe mit rustikalem Wandgemälde von Hirschen und Wildschweinen. Das Trio Dreyklang spielt für genau jenes Publikum – an Tischen sitzend mit Wein und nett präparierten Snacks. Da freuen sich auch die Veranstalter über den Umsatz in der Gastronomie.
Und jenes „Publikum mit Einkommen“ kauft auch aufgenommene Musik auf physischen Tonträgern. Nur tummeln sie sich nicht in gar so großer Zahl in den sozialen Medien und wollen daher auf anderen Wegen, ja ein wenig so wie früher, erreicht werden. Klar, die Kids machen durch Teilen und die entstehende Multiplikation Bands bekannt. Das Geld bringen jene, die davon übrig haben.
Lösungsansätze für alles nicht digitale können also sowohl in der ständigen Erweiterung und Verbesserung von Produkten liegen als auch in einer möglichen Neuorientierung hinsichtlich der Zielgruppe.
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