Auf Grund viraler Bedrohungen werden aktuell zunehmend Veranstaltungen abgesagt. Davon betroffen sind natürlich viele Musiker und Bands, Künstler aus den Bereichen Varieté oder Gala, die Veranstalter selbst sowie zahlreiche Lieferanten von Veranstaltungstechnik. „Metal Anwalt“ Christian Koch (der auch Jazzer und Rapper vertritt) hat seine wertvolle Zeit geopfert, um die wichtigsten Fragen rund um abgesagte Veranstaltungen zu beantworten.
Julian Angel (J.A.): Wie sieht denn die rechtliche Lage aus, haben die betroffenen Musiker und Künstler ein Anrecht auf ihre Gage?
Christian Koch (C.K.): Da gibst du mir ja gleich zum Einstieg die Möglichkeit, das grundsätzliche Leistungsverhältnis zu erklären. Ob und ggf. wer im Falle einer Konzertabsage etwas verlangen kann, hängt davon ab, ob der Veranstalter die Absage zu verantworten hat oder nicht. Wenn, wie gerade in Bayern, der Staat Veranstaltungen einer gewissen Größenordnung verbietet, muss der Veranstalter absagen. Er ist hier der berühmten höheren Gewalt ausgeliefert. Wenn dieser Fall eintritt, dann sieht das BGB kurz gesagt vor, dass die Vertragsparteien wegen Unmöglichkeit von ihrer Leistungspflicht frei werden. Der Veranstalter kann keinen Auftritt verlangen, die Künstler keine Gage. Möglicherweise kann vertraglich etwas anderes geregelt sein, das führt hier aber zu weit.
J.A.: Macht es dabei einen Unterschied, ob die Veranstaltung auf behördliche Anordnung hin abgesagt wird, oder ob ein Veranstalter aus eigenen Stücken absagt? Zum Beispiel aus eher wirtschaftlichen Gründen, weil das Publikum derzeit nicht sehr ausgehfreudig ist oder bei seiner Messe mit zu wenig Teilnehmern aus dem Ausland zu rechnen ist?
C.K.: Ja, unbedingt. Wenn der Veranstalter aus eigenen Stücken und wirtschaftlichen Gründen absagt, dann ist es seine eigene Entscheidung. Höhere Gewalt liegt vordergründig erst einmal nicht vor. Die Künstler werden also bei Absage eines Konzertes von ihrer Auftrittsverpflichtung frei, behalten aber ihren Anspruch auf Zahlung der Gage.
J.A.: Ein interessantes Szenario wäre auch dieses hier. Eine Firma, die bei einer Messe ausstellt, bucht einen Künstler. Nun wird die Messe abgesagt, die Firma reist erst gar nicht in die Stadt und hat folglich keinen Bedarf mehr an dem gebuchten Künstler. Muss sie den Künstler dennoch bezahlen bzw. muss der Künstler eine per Vorkasse erhaltene Gage zurückzahlen?
C.K.: In diesem Szenario kommt es auch wieder darauf an, auf wessen Betreiben die Messe abgesagt wurde. Geschah dies auf staatliche Anordnung, können sich wohl alle Beteiligten auf Unmöglichkeit wegen höher Gewalt berufen. Erfolgte die Absage dagegen aus Motivation des Messeausrichters, wird man in der Kette der Beteiligten schauen müssen, wer was von wem verlangen kann.
J.A.: Es kommt auch sehr häufig vor, dass eine Band für einen Auftritt Technik anmietet. „Bring mir am soundsovielten eine PA an diesen Ort und baue sie auf“. Bleibt die Band dem PA Verleih gegenüber verpflichtet, auch wenn die Veranstaltung abgesagt wird? Oder sprechen wir hier (schon oder wieder) von höherer Gewalt? Soweit ich mich belesen habe, scheint das momentan ein Streitpunkt zu sein.
C.K.: Ganz recht: es ist gerade ein echter Streitpunkt, ob eine Absage durch einen Veranstalter aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht doch höhere Gewalt sein kann. Gelöst worden ist das noch nicht und das wird wohl auch erst lange nach CoVid19 durch Gerichte geklärt werden. Davon ab beantwortet sich die Frage der Einstandspflicht wie bei den anderen Fragen.
J.A.: Bands und Künstler bemühen sich natürlich weiterhin um neue Auftritte. Trotzdem ist nicht abzusehen, wie lange die Situation noch „in der Schwebe“ bleiben wird. Können sie sich in irgendeiner Form gegen abgesagte Auftritte absichern?
C.K.: Eventuell ist das Risiko versicherbar.
J.A.: Viele Veranstalterhaftpflichtversicherungen decken auch mögliche Schäden ab, die durch eine abgesagte Veranstaltung entstehen. Hältst Du es für sinnvoll – oder ist es überhaupt legal – wenn Bands Veranstalter vertraglich zum Abschluss einer solchen Versicherung „nötigen“, damit ihnen diese im Falle einer Absage die Gage zahlt?
C.K.: Naja, Nötigungen sind ja strafbar nach 240 StGB, somit illegal, aber das meintest du nicht. Man kann es natürlich zur vertraglichen Pflicht eines Auftrittsvertrages machen, dass der Veranstalter eine entsprechende Haftpflichtversicherung nachweist.
J.A.: Einige Eventfirmen beabsichtigen auf Grund der Situation ihre AGBs anzupassen. Könnten Bands ebenso einen Passus in ihre Verträge einfügen, mit dem sie sich absichern können?
C.K.: Ja, es herrscht Vertragsfreiheit in Deutschland.
J.A.: Und weil ich es schon so oft gehört und gelesen habe: Viele Bands haben in ihren Verträgen besondere Stornierungsbedingungen stehen, die oft zeitlich gestaffelt sind: 50% der Gage, wenn bis zwei Monate vorher abgesagt wird. 75% bis zu einem Monat etc. Ist das nicht ohnehin auch über das BGB geregelt, so dass so oder so die volle Gage fällig wäre?
C.K.: Ja, richtig, aber nur wenn der Veranstalter auch für die Absage der Veranstaltung verantwortlich ist.
Vieles ist natürlich bereits geschehen, aber ich hoffe, dass Dir diese Antworten helfen, Deine aktuelle Situation samt Rechten und Pflichten besser einzuschätzen und Dich künftig entsprechend zu wappnen. Herzlichen Dank an „Metal-Anwalt“ Christian Koch für seine Hilfe. Sei doch so nett und wende Dich bei deinem nächsten Rechtsstreit an Christian. Er spielt privat Rugby („No pads, no helmets, just balls“), das ist der Mann, den man sich im Gerichtssaal an seiner Seite wünscht…
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