Musikbusiness Post-Corona

Wie könnte die Zeit nach dem Lockdown insbesondere für unabhängige Musiker aussehen? Welche Chancen gibt es, und was hätten wir noch vor dem März 2020 besser machen können? Was das Herumrudern hinter verschlossenen Türen sehr schnell klarwerden ließ, sind zwei Dinge:

  1. eine größer aufgestellte Diversifizierung im musikalischen Anlageportfolio wäre hilfreich gewesen. Diese hätte allerdings schon weit früher erfolgen müssen, um auch reichlich davon zehren zu können, denn bekanntlich braucht jedes gute Ding viel Weile.
  2. alle schnelle Maßnahmen vom latenzdurchzogenen Onlineunterricht zu Onlinekonzerten aus dem Wohnzimmer erwiesen sich schnell als reine Methoden des Bei-der-Stange-Haltens von Schülern und Fans, jedoch nicht als Einkommensquelle, die das Essen auf den Tisch bringt.

Viele haben die Zeit genutzt, das Hintenangestelle endlich zu erledigen, welches, bereits vor einem Jahr oder länger erledigt, gerade jetzt Früchte hätte tragen können. Man stellt sich jetzt breiter auf, entdeckt und erschließt neue Einkommensquellen. Dies geht einher mit der Erkenntnis, die eigene Arbeitszeit künftig entweder besser managen oder auch schlichtweg verlängern zu müssen. Wer Eigenproduktion, Selbstvermarktung, PR, Direktmarketing, Studioarbeit, Merchandise, Sync, Booking, Liveauftritte und die ständige Kontaktpflege in alle Richtungen selbst managt, hat zweifellos einen vollen Terminplan. Doch es ist wie beim Autofahren: die meiste Kraft wird zum Starten und Beschleunigen benötigt, danach lässt sich das Vehikel mit vergleichsweise wenig Gas auf Geschwindigkeit halten.

Was würde ich ganz persönlich Musikern empfehlen, bis sich die Dinge wieder normalisiert haben und es wieder erstrebenswert ist, wenn sich Fans dicht vor der Bühne drängen? Das „Portfolio“ diversifizieren:

Recorded Music

Eigene Musik aufnehmen und verkaufen ist für viele Musiker die Königsdisziplin schlechthin, mit diesen Gedanken wollten wir alle Rockstars werden. Das neue Album einfach auf den Markt werfen, sprich, „ins Netz stellen“, und sich zurücklehnen, funktioniert nicht wirklich. Dafür ist jetzt eine gute Gelegenheit, neues Material aufzunehmen, Medienkontakte aufzubauen und von langer Hand eine Veröffentlichungskampagne anzulegen.

Ist die Zeit dafür überhaupt günstig? Selbstvermarktende Musiker sollten sich hier nicht von den Unkenrufen aus den großen Branchenmagazinen abschrecken lassen. Dort werden die Bedenken großer Stars zum besten getragen, die ihre Alben noch zurückhalten, da aktuell der Rundumschlag mit Album, Tour und Merch gar nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Für Selbstvermarkter bleibt hier mehr Platz, vor allem in den Nischen. Wenn die großen Death Metal (House-, Country-, Blues-, etc.) Stars nichts neues veröffentlichen, wenden sich geneigte Fans zunehmend Bands aus dem Untergrund zu. Auch Musik Blogs und Websites freuen sich über neues Material.

Jetzt ist der Moment, sich mit Promokampagnen, Social Media, den Algorithmen von Spotify, Youtube Monetarisierung, Mailinglisten und Pressekontakten zu befassen. Das alles wird sicherlich nicht die nächste Miete bezahlen. Auch nicht die übernächste. Aber mittelfristig betrachtet kann hier eine Geldquelle erschlossen werden, die in der aktuellen Lage sicherlich hilfreich gewesen wäre, und in den nächsten Jahren ein finanzielles Polster schaffen kann.

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Sync

Die Tatsache, dass sämtliche Hollywood Blockbuster und die Produktion großer Fernsehserien auf Eis liegen, macht sich bei den großen Komponisten garantiert bemerkbar. Doch welcher kleine Selbstvermarkter bekommt schon derartige Aufträge zugeschoben? Die Show muss aber weitergehen. Also wird fernsehtechnisch zusammengebastelt, was möglich ist: historische Dokumentationen aus Archivmaterial, mit neuem Kommentar und neuer Musik. Ratingshows wie „Die 100 besten…“ lassen sich ohne großen Aufwand produzieren, und für jeden der hundert Einspieler wird Musik benötigt.

Und hier bedient man sich dann nicht nur an gefilmtem Archivmaterial, sondern auch an Archivmusik, die von Musikern über Music Libraries rein spekulativ angeboten wird. Musiker mit eigenen Alben, sollten diese auf jeden Fall auf dem Sync Markt anbieten. Wer zudem Spaß an der Produktion instrumentaler Scores hat, sei ermutigt, einmal 50 solcher Stücke auf den Markt zu werfen. Der Blick auf die Tantiemenabrechnung ermutigt viele zu mehr.

Doch auch hier geschieht nichts über Nacht. Wer sich heute der Archivmusik verschreibt, wird zunächst gute drei, manchmal noch mehr Jahre benötigen, um die ersten Gelder zu sehen. Auch hier lohnt sich also ein mittel- bis langfristiger Ansatz.

Unterricht

Musiker, die ihren Einzelunterricht aktuell mit Hilfe von Medien wie Skype oder Zoom „auf Distanz“ anbieten, gelangen einerseits zu der Erkenntnis, dass dies keinen persönlichen Unterricht von Angesicht zu Angesicht ersetzen kann, doch könnte sich so mancher weiter entfernt lebende Fan künftig über ein derartiges Angebot freuen. Wer nicht mitten in der Nacht aufstehen will, um einen Fan aus Fernost zu unterrichten, kann sein Wissen und Können in Kursen zusammenfassen und über entsprechende Plattformen anbieten.

Studio / Produktion

Es ist längst nicht mehr notwendig, als Produzent oder Studiomusiker auf lokal ansässige Studios und Kunden angewiesen zu sein. So werden Recording- und Mixingjobs inzwischen an die passenden Partner weltweit vergeben, die aufgenommenen Dateien werden über das Internet hin und her geschickt. Ob sich ausgerechnet jetzt Musiker, die man ihrer Livegrundlage (kein Wortspiel) beraubt hat, den Wunsch eines Gospelchors oder eines genialen Saxophonsolos erfüllen, sei dahingestellt. Es gibt jedoch genügend semi-professionelle Musiker, die über ein anderweitiges Festeinkommen verfügen und es sich leisten können, ihre Produktion von einem Masteringexperten oder Instrumentalvirtuosen verfeinern zu lassen.

Live

Wir wollen Konzerte keineswegs ausschließen. Auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, liegt die Wahrheit. Das ist die handfesteste und bodenständigste Art, mit Musik Geld zu verdienen. Wann es für Musiker wieder „legal“ sein wird, live die Sau heraus zu lassen, wissen wir nicht. Vermutlich wird es sich noch eine ganze Zeit hinziehen. Und den Unterschied zwischen einem Kneipenmusiker, der mit genügend Abstand in der Ecke steht, und einem Rockfestival wird die Politik wohl weder in Betracht ziehen, noch im ersten Versuch erkennen.

Trotzdem lohnt es sich, das eigene Booking anzukurbeln, alleine schon, um bei Agenturen und Veranstaltern weiterhin im Gespräch zu bleiben und so vielleicht einen der ersten stattfindenden Gigs abzugreifen. Ein paar Musiker gehen so weit, mit Veranstaltern Verträge mit Optionen abzuschließen und sichern sich dadurch Termine und Gagen, vorausgesetzt, der Termin darf offiziell stattfinden.

 

Wir wissen nicht, was in den kommenden Jahren auf uns alle zukommen wird. Ich hoffe, nichts gravierendes. Aber bereits beim Auseinanderbrechen einer Band, der Schließung einer Musikschule oder dem Konkurs eines Tonstudios sind wir alle froh, wenn aus anderen Quellen das nötige Kleingeld fließt – oder zumindest ein Teil davon. Daher lohnt sich der Rundumschlag…

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Über Julian Angel

Julian Angel ist chartnotierter Rockmusiker mit Hollywood Filmmusik Credits, Eventproduzent und Organisator der MusicBiz Madness Konferenz, Deutschlands erster Musikbusiness Konferenz für Musiker.
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