Jörg „Warthy“ Wartmann hat als Studiomusiker auf rund 4 Millionen Tonträgern gespielt, von Neuer Deutscher Härte bis Schlager. Im MusicBiz Madness Interview gibt der Gitarrenvirtuose freudig Auskunft über seinen Alltag, die Anforderungen und natürlich auch ein Bisschen über die geschäftliche Seite…
Julian Angel (J.A.): Hi Warthy, Du bist in erster Linie Gitarrist und kannst auf eine beachtliche Anzahl an Studiogigs und Credits sowohl als Instrumentalist als auch als Arrangeur und Produzent zurückblicken. Wessen Platten hängen denn an Deiner Wand?
Warthy (W.): Hi Julian, erstmal vielen Dank für die Einladung! Unheilig, Frei.Wild, Eisbrecher, Kastelruther Spatzen oder Hämatom dürfte man wohl am ehesten kennen. Auf dem gerade erschienenen Beatrice Egli Album durfte ich auch auf einem Track die Gitarren beisteuern. Mittlerweile zieren tatsächlich einige Platten meine Wand. Es sind jetzt knapp 4 Millionen verkaufte Tonträger, auf denen ich mitwirken durfte, worüber ich mich sehr freue! Da hätte ich vor ein paar Jahren nicht mal drüber nachgedacht – gewünscht natürlich. So kann’s gern weiter gehen…
J.A.: Viele Leser stellen sich natürlich die Frage, wie Du zu all den Aufträgen gekommen bist…
W.: Das ist eine sehr komplexe Frage! Das baut sich über viele Jahre auf. Ich habe als Livemusiker viele Musiker, Manager und eben auch Produzenten kennengelernt. Zum Beispiel habe ich mit Down Below vor 10 Jahren als Support für Unheilig in einem Club gespielt und Henning Verlage, den Produzenten und Keyboarder der Band, kennen gelernt. Zweieinhalb Jahre später hat er dann ein Album für Down Below produziert. Und obwohl ich zu der Zeit nicht mehr in der Band war, habe ich im Studio die Gitarren mit eingespielt. Seitdem ruft er mich immer an, wenn er Gitarren für eine Produktion benötigt. So auch für das Album „Grosse Freiheit“, wo damals keiner von uns erwartet hatte, dass es so durch die Decke gehen würde. So was spricht sich hinter den Kulissen dann doch rum und bringt wiederum Aufträge.
Ich habe auch gern mal Dinge umsonst angeboten. Bei der ersten Frei.Wild Produktion, wo ich meinen Gitarren – Senf mit dazu gab, war eine Akustikballade, die in meinen Ohren förmlich nach einem Streicher Quartett schrie. Also hab ich den Jungs eins programmiert, was ihnen Gott sein Dank gefiel und ihnen zeigte, dass ich auch noch andere Dinge kann, außer Gitarre spielen. So wurde mein Aufgabenbereich für die Band im Laufe der Jahre mit jeder Veröffentlichung größer.
Das Wichtigste ist, dass man immer die bestmögliche Leistung bringt, dazu bereit ist, jeden Tag 12 -14 Stunden im Studio zu arbeiten. Auch mit einem freien Sonntag sollte man nicht rechnen. Genau dann hat man die Chance, Jobs zu bekommen und sie dann auch zu spielen. Klinken putzen hilft da nach meiner Erfahrung nicht viel…
J.A.: Wie lange hat es seit Deinen Anfängen gedauert, bis Du in einigermaßen regelmäßigen Abständen Aufträge bekommen hast?
W.: Ich hab zwar in den 90ern immer schon mit meinem damaligen Kollegen Nedy im Studio gearbeitet. Aber das waren fast immer nur eigene Projekte. Da merkte ich allerdings, dass mich das anturnt, mich jeden Tag bei den Aufnahmen zu kasteien (lacht). Die meisten Musiker sind ja froh, wenn sie wieder auf Tour dürfen. Der Entschluss, Studiomusiker zu werden, kam aber erst in den letzten Jahren. Seit 2008 geht es stetig aufwärts und seit drei Jahren bin ich komplett ausgebucht. Gleich mal auf Holz klopfen…
J.A.: Betreibst Du Werbung oder hast Du das getan? Bist Du in irgendwelchen Branchenverzeichnissen vertreten?
W.: Die beste Werbung ist schnell und gut zu arbeiten und dabei trotzdem entspannt und locker mit den Leuten umzugehen. Ich hab’ zwar eine Homepage, eine Facebook Seite, einen Wikipedia Eintrag und bin in zwei oder drei Branchenverzeichnissen vertreten, habe darüber aber noch nie einen Auftrag bekommen (lacht)! Aber so können sich die Künstler oder Bands über mich informieren, wenn ich vom jeweiligen Produzenten für eine Produktion vorgeschlagen werde. Es ist wie oben erwähnt, die gute alte Mundpropaganda!
J.A.: Gitarristen gibt es wie Sand am Meer und im Grunde sitzt doch in jedem Tonstudio jemand, der Gitarre spielen kann. Wie kommt es, dass – zum Glück für Dich – dennoch Studiogitarristen angeheuert werden?
W.: Das stimmt! Es gibt unglaublich viele Gitarristen und ich bin auch sehr froh, dass ich das machen darf! Es gibt aber auch verschiedene Anforderungen, welche von einem Studiogitarristen erwartet werden, die aber nicht jeder Instrumentalist erfüllen kann.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Gitarrenaufnahmen sind eine Wissenschaft für sich, mit der sich Studio Ikonen wie Tim Pierce oder Peter Weihe schon ihr ganzes Leben auseinandersetzen und sie perfektionieren. Welche Gitarre, welches Pedal, welcher Amp, welche Box, welches Mikro, welcher Preamp, eventuell EQ und Kompressor werden für den nächsten Track benötigt. Und für jeden dieser Punkte gibt es wiederum mehrere Unterpunkte. Das sollte man als Studiogitarrist wissen bzw. erforscht haben oder noch entdecken, damit man den passenden Sound quasi „per Knopfdruck“ parat hat.
Ich nehme jeden Tag Gitarren auf und beschäftige mich somit automatisch mit dieser Materie und lerne mit jedem Album was dazu, was den Job extrem spannend macht! Nachts lese ich oft noch Fachlektüre oder mache Sound – Experimente. Jugend forscht… (lacht)
Außerdem spiele ich mittlerweile 80 Prozent aller Aufträge in meinem Studio. So können sich die Auftraggeber in der Zeit, wo ich Gitarren aufnehme, anderen Dingen der laufenden Produktion widmen, was für sie wertvolle Zeit spart. Parallel wird mittlerweile extrem oft gearbeitet!
J.A.: Du hast im Vorgespräch Deine Studioarbeit als reine Dienstleistung bezeichnet. In wie weit kannst Du Deine eigene Kreativität mit einfließen lassen?
W.: Das ist von Produktion zu Produktion unterschiedlich. Manche Produzenten haben eine ganz klare Vorstellung und programmieren sogar alle Linien vor, die dann in „schön“ aufgenommen werden. Da spiele manchmal direkt vom MIDI Editor ab. Malen nach Zahlen sozusagen… Bei anderen hat man mehr Freiheiten oder wird wegen seiner Ideen geholt, die man aber, nachdem man den Song gehört hat, sofort parat haben sollte. Man sollte dabei auch absolut kein Ego haben! Anbieten kann man immer, aber wenn’s nicht genommen wird, ist es halt so. Als Künstler ist das ganz anders. Denn man hat eine Vision von seinem Song, die dann Leute wie ich umsetzen. Insofern ist das halt „nur“ Dienstleistung, bei der man aber gern mal kreativ sein darf.
J.A.: Was würdest Du abgesehen von Deinen – wirklich herausragenden – Gitarrenkünsten als Deine wichtigsten Vorzüge bezeichnen, die Dich von anderen unterscheiden?
W.: Oh vielen Dank für die verbalen Blumen! Es fällt mir extrem schwer, mich selbst zu beurteilen. Das müssten eigentlich die Leute machen, mit denen ich jeden Tag zu tun habe! Mmmmhhhh… Bis jetzt war es meistens so, dass wenn ich für jemanden zum ersten Mal gearbeitet hab, ich immer wieder Folgeaufträge bekomme. Also scheine ich was zu tun, was dann gefällt. Was das ist? Keine Ahnung! Ich liebe diesen Beruf einfach und gebe dafür all meine Energie! Vielleicht macht das den Unterschied!?
J.A.: Was steht als nächstes an, und gibt es womöglich auch wieder ein Soloalbum?
W.: Momentan spiele ich wieder beim kommenden Down Below Album mit ein. Danach werde ich mit meiner Frau Tea weiter an ihren Songs schrauben. Eine Schlagerproduktion steht auch noch an, wo ich spielen und arrangieren soll.
Nachdem mein erstes Album „Triumph Of Fantasy“ 2009 veröffentlicht wurde, habe ich den Nachfolger direkt danach geschrieben und aufgenommen. Das gute Stück liegt jetzt seit über 3 Jahren mischfertig auf der Festplatte und will fertig gestellt werden. Aber ich komme nicht dazu. Meine Studioarbeit ist mir einfach wichtiger, weswegen mein Fokus uneingeschränkt darauf liegt! Aber sowie ich mal zwei Wochen am Stück Zeit haben sollte, werde ich das Album mischen und releasen. Das ist aber wirklich nur „just for fun“, denn mittlerweile fühle ich mich in der Rolle im Hintergrund wohler, als selber permanent im Rampenlicht zu stehen!
J.A.: Dann sind wir also gespannt, wann Du uns wieder mit eigener Musik beglücken wirst. Hab vielen Dank für die detaillierten Einblicke in Deine Arbeit.
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(Foto oben: Arti Van Art)
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